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Der Mäzen – ein wahrer Menschenfreund?

Verantwortlicher Autor: Herbert J. Hopfgartner Salzburg, 25.07.2022, 09:21 Uhr
Fachartikel: +++ Kunst, Kultur und Musik +++ Bericht 14544x gelesen

Salzburg [ENA] „Gutmenschen“ wirft man gerne vor, dass sie sich nach Außen hin besonders moralisch und tugendhaft darstellen und sich in der Debatte um Political Correctness in einer übertriebenen, vielleicht auch unkritischen Weise für eine Sache einsetzen, ohne das jeweilige Problem umfassend betrachtet zu haben. So wird ein eigentlich positiver Ausdruck in unserer Gesellschaft (leider) meist nur mehr abwertend oder zumindest iro

Kann das Handeln eines Mäzens und Gönners als „edel, hilfreich und gut“ angesehen werden? Für Auguste Comte (1798-1857), dem Begründer der Soziologie, war ein uneigennütziger Mensch offenkundig der Gegensatz zu einem Egoisten. Ein Mäzen und Förderer unterscheidet sich zudem von einem Sponsor. Letzterer will ja für sein Engagement eine Gegenleistung: Sponsoring geht letztlich mit Medienpräsenz, Verkaufsmaximierung und einem Imagetransfer einher, indem positive Ausstrahlungseffekte (eines Sportlers oder Künstlers) für die eigene Marke und Firma genutzt werden.

Das Firmenlogo, immerhin ein wichtiger Teil der „Corporate Identity“ eines Konzerns, muss bei Meisterschaften und Festspielen werbewirksam eingeblendet oder an prominenter Stelle abgedruckt werden. Ein Mäzen oder eine Mäzenin (bzw. Mäzenatin) hingegen gibt, ohne nehmen zu wollen. Ob eine gewisse Eitelkeit oder Koketterie im Spiel ist, ob sich der große Spender vielleicht vorrangig oder zumindest nebenbei in der Rolle des generösen Gönners gefallen will, kann nur vermutet werden. Jedem argwöhnischen Kritiker ist zu raten, zuerst selbst den gleichen Anteil an seinem Vermögen zu spenden, bevor er einem Mäzen die Sucht nach Ruhm vorwirft…

Nachdem aber einige Wohltäter gar nicht im Rampenlicht stehen wollen und auf diesbezügliche Recherchen nur widerwillig reagieren, sollte man auf vorschnell geäußerte Vorhaltungen wohl eher verzichten. Förderer scheint es in der Geschichte immer wieder gegeben zu haben, bemerkenswert und aufschlussreich ist aber die Tatsache, dass sich der Begriff „Mäzen“ auf eine bestimmte Person aus der Antike zurückführen lässt.

Nämlich auf Gaius Cilnius Maecenas (70 v.Chr. – 6 v.Chr.). Der in Arezzo geborene Maecenas dürfte ein Vertrauter des römischen Kaisers Augustus gewesen sein, wobei er vor allem als ein Förderer der Künste in die Geschichte eingegangen ist. Bekannt ist, dass Maecenas väterlicherseits aus einem alten Patriziergeschlecht und mütterlicherseits aus dem vornehmen etruskischen Stamm der Cilnier hervorging. Bereits kurz nach der Ermordung von Gaius Iulius Cäsar suchte er die Nähe zu Octavian, dem späteren Augustus und Neffen Cäsars. Nachdem im Jahre 27 v.Chr. der römische Senat Octavian den Ehrennamen Augustus („der Erhabene“) verlieh, wollte dieser das Staatsgefüge nach den Bürgerkriegen wiederherstellen („Res Publica restituta“).

Gleichzeitig strebte er als „Primus inter pares“ nach absoluter Macht. Gaius Cilnius Maecenas dürfte „in diplomatischen Diensten“ bei der Errichtung dieses „Prinzipates“, einer neuen monarchischen Ordnung, entscheidend mitgeholfen haben. Maecenas lebte in Rom auf dem Esquilin, einer bevorzugten Wohngegend auf einem der sieben klassischen Hügel. In seiner unmittelbaren Nähe lebten viele Dichter, wie z.B. Vergil und Horaz.

Auch wenn eigene Versuche in der Dichtkunst erfolglos blieben – Lucius Annaeus Seneca tadelte seine diesbezüglichen Versuche – unterstützte er andere Poeten und Epiker. Horaz schenkte er ein Landgut, Vergil erstattete er eine Erbschaft, die ihm vom Staat verweigert wurde. Desgleichen scheint er Sextus Aurelius Propertius und Lucius Varius Rufus, die ebenfalls zu dem Dichterkreis gehörten, auch gefördert zu haben.

Wien um 1900: Eduard von Todesco, Gustav von Epstein, Karl Wittgenstein, Fritz Waerndorfer und Leopold Goldman „erfanden“ (zusammen mit anderen) zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Wien – heute wird diese Aufbruchszeit als „Ringstraßen-Ära“ oder Fin de Siecle bezeichnet. Die jüdischen Industriellen und Intellektuellen wollten sich in der Donaumetropole nicht assimilieren; unter Wahrung ihres Glaubens und der Kultur sahen sie sich in einem Prozess der Akkulturation:

Verschiedene Strömungen sollten ihrer Ansicht nach auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, intellektuelle und künstlerische Provokationen waren in der Diskussion mehr oder weniger erwünscht. Je öffentlicher die Kulturäußerung, desto intensiver wurde die gesellschaftliche Auseinandersetzung über das Thema geführt. Wem verdankten Künstler wie Gustav Klimt, Joseph Maria Olbrich, Josef Hoffmann, Otto Wagner und Adolf Loos ihre Karriere? Neben anderen waren sie auch ihren jüdischen Mäzenen sehr verbunden.

Und heute? Bill Gates scheint ein großer Mäzen zu sein, desgleichen Dietrich Mateschitz. Und die kürzlich verstorbene Heidi Horten galt ebenfalls als große Wohltäterin. Vor kurzem schenkte sie der Stadt Wien noch ein ganzes Museum. In Interviews geben einige Förderer an, dass sie einen Teil ihres Reichtums der Gesellschaft „zurückgeben“ wollen, einzelne sehen sich veranlasst durch Spenden „etwas Gutes und Sinnvolles zu tun“, von anderen Geldgebern weiß man hingegen wenig, weil sie jede Auskunft über ihr Tun verweigern.

Natürlich wäre es einfach, reichen Menschen ein schlechtes Gewissen für ihr großes Vermögen anzudichten – so als müssten sie sich schämen, das Geld zu Unrecht verdient zu haben. Wenn investigative Journalisten allerdings Ungereimtheiten und historische Widersprüche in den Biographien mancher Mäzene finden, ist die Aufarbeitung der Unstimmigkeiten wichtig und notwendig: Wurde der Reichtum auf Kosten anderer erschwindelt? Wurden Konkurrenten mit unfairen Mitteln aus dem Wettbewerb gedrängt? Hat sich der Milliardär durch politisch opportunes Verhalten bereichert? Oder gibt es sogar Opfer, die auf dem Weg des Patrons zum großen Vermögen ihr Leben lassen mussten?

Bestätigen sich die Verdachtsfälle wäre die These, dass manche Mäzene ihr schlechtes Gewissen durch großzügige Geldspenden beruhigen wollen, gar nicht so weit hergeholt. Die Erinnerung an den Ablasshandel als pervertierte Form des Sündenerlasses drängt sich unweigerlich auf. Zu erinnern ist an die spätmittelalterliche Redewendung „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“ – jede noch so grausame Tat konnte einst, in dunklen Zeiten, gegen gutes Geld gesühnt werden.

Wenn allerdings ein Mäzen beschließt, sein rechtmäßig verdientes Geld in aller Stille mit anderen teilen zu wollen, es wissenschaftlicher Forschung zu überlassen oder mit seinen Spenden jungen, talentierten Künstlern zu helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern, gebührt ihm zunächst einmal Anerkennung. Gutes tun und nicht darüber sprechen – könnte demnach die Maxime seines Handelns sein: Der, der sich unbemerkbar für die Öffentlichkeit um jemand kümmert, meint wirklich den anderen, den Mitmenschen. Wer indes vor laufender Kamera den großen Scheck überreicht, möchte in Wahrheit wohl nur selbst gut dastehen.

Zweifler seien daran erinnert, dass es wahrscheinlich gar nicht so wenige Menschen gibt, die nicht wohlhabend und schon gar nicht reich sind und trotzdem einen Teil ihres Geldes – still und heimlich – Ärmeren zur Verfügung stellen. Diese Zeitgenossen sehen die Belohnung vor allem in der Tat selbst begründet: Sie bringt Freude, Selbstwirksamkeit – und macht Sinn. Lebensinhalte, die so viele Menschen suchen, aber nicht immer finden.

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