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Patientensicherheit und Qualitätsmanagement

Verantwortlicher Autor: Lydia Budiner Berlin, 17.12.2018, 17:40 Uhr
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Berlin [ENA] Eines haben wir alle gemeinsam: Jeder ist in seinem Leben mehr als einmal Patient. Patientensicherheit geht also jeden an. OP-Checklisten, Aktion Saubere Hände, Fehlermeldesysteme oder ein verpflichtendes Qualitätsmanagement in deutschen Krankenhäusern sind gute Beispiele für ein wachsende Bewusstsein und Engagement im Sinne der Patientensicherheit. Patientensicherheit ist auch eine Frage des Qualitätsmanagements.

Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) und der das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) haben in diesem Jahr gemeinsam mit dem Autor Prof. Dr. Matthias Schrappe von der Universität Köln das „Weißbuch Patientensicherheit“ in Berlin vorgestellt. Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist eine der besten der Welt. Gerade bei der Patientensicherheit gibt es aber weiter Verbesserungsbedarf. Beispiel Krankenhaus: Etwa 90 bis 95 Prozent aller Krankenhausbehandlungen verlaufen ohne Zwischenfälle. Bei fünf bis zehn Prozent (ein bis zwei Millionen Patienten) pro Jahr treten jedoch „unerwünschte Ereignisse“ auf – von Druckgeschwüren über Fehldiagnosen bis hin zu schweren Infektionen.

Patientensicherheit

Vermeidbar wären bis zu 800.000 dieser o.g. unerwünschten Ereignisse, dazu gehören auch Todesfälle. Die stetige Verbesserung der Patientensicherheit und ihre Verankerung im täglichen Handeln ist ein wichtiger Bestandteil einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. Patientensicherheit wird derzeit eher als Kostenfaktor gesehen, tatsächlich allerdings ist der Nutzen einer guten Patientensicherheit ebenso wie der eines gelebten Qualitätsmanagements von großem Nutzen und kann zu langfristigen, nachhaltigen Erfolgen führen. Daher sollte das Thema Patientensicherheit in das Gesamtqualitätsmanagement eingebettet sein und im Rahmen von Qualitätszirkeln wie auch im Rahmen von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen berücksichtigt werden.

Dafür benötigen Kliniken, Pflegedienste, Arztpraxen, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) etc. Verantwortliche, die die erforderlichen Veränderungen anstoßen, durchsetzen, koordinieren und dauerhaft begleiten. In dem "Weißbuch Patientensicherheit" wird daher die Beschäftigung von Beauftragten für Patientensicherheit gefordert. Wie diese in bestehende Qualitätsmanagementsysteme integriert werden sollten muss noch genauer definiert werden.

Krankenhaushygiene - Vorbild Niederlande

Jährlich erkranken in Deutschland über 400.000 Patienten an einer Krankenhausinfektion, davon etwa 30.000 an multiresistenten Erregern (MRE). Ein Drittel der Infektionen ist in erster Linie auf Hygienemängel zurückzuführen, wäre also grundsätzlich vermeidbar. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die bestehenden Maßnahmen zur Verbesserung der Krankenhaushygiene ausgebaut und ergänzt werden müssen. Dazu bedarf es einerseits gesetzlicher Regelungen bzw. Richtlinien. Zudem hilft Prävention mehr als Heilen. Keime früh erkannt - Gefahr gebannt? In den Niederlanden ist das schon ein erfolgreiches Konzept.

Ein weiterer Baustein zur Patientensicherheit wäre, wenn das RKI (Robert-Koch-Institut) seine Empfehlungen zum Screening von MRE-Risikopatienten auf Infektionen sowie zu Isolationsmaßnahmen zu klaren Vorgaben weiterentwickelt. Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hatten die Niederlande 2013 gemeinsam mit Norwegen (0,7 Prozent) und Schweden (1,0 Prozent) die geringste MRSA-Durchseuchung der Bevölkerung in Europa. Tests an Bakterienisolaten zur Antibiotikaempfindlichkeit ergaben, dass in den Niederlanden im Jahr 2013 nur 1,2 Prozent der untersuchten Isolate resistent waren.

Auch bei der VRE-Rate (Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder Bakterien) liegen die Niederländer mit 0,2 Prozent vor den Deutschen (0,5 Prozent). Die Niederlande verwenden mehr Energie auf Kontrolle und Prävention. Dort hat beispielsweise jede Klink einen Krankenhaushygieniker. Dessen Aufgabe besteht darin, Krankenhausinfektionen zu verhindern, zu erkennen und zu bekämpfen. Deutsche Krankenhäuser mit weniger als 400 Betten – etwa zwei Drittel aller Kliniken – müssen keine hauptamtlichen Hygieniker anstellen. Damit sich die gefährlichen Mikroorganismen nicht verbreiten können, werden alle Patienten in niederländischen Kliniken gleich bei der Aufnahme nach Bakterien untersucht. Diese Voruntersuchung ist aufwendig und nicht ganz billig.

Faktor Fehlerkultur

In einer Besprechung systematisch nach Fehlern suchen und basierend auf dem Behandlungsverlauf auch über Lösungsmöglichkeiten, wie diese vermieden werden können, diskutieren – das ist ein Teil einer offenen Fehlerkultur. Im Rahmen eines guten Qualitätsmanagements eigentlich ein üblicher Vorgang. Hier können Krankenhäuser von vielen Produktionsbetrieben lernen. Dabei geht es nicht darum die beteiligten Mitarbeiter an den Pranger zu stellen, sondern diesen die Chance zu geben, Lösungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Fehlern aufzuzeigen oder gemeinsam im Team optimierte Prozesse zu entwickeln, in denen Fehler reduziert werden können. Aus Fehlern zu lernen.

Ein Fundament für eine gute Patientensicherheit stellt daher eine gute Fehlerkultur dar und ein fach- und funktionsübergreifenden Umgang, der von Respekt und wechselseitiger Anerkennung der Kompetenzen geprägt ist. Der Chefarzt, der immer Recht hat, war gestern – heute sollte er ein kompetenter Manager und eine inspierende Führungskraft sein, der ein Klima schafft, in dem Anregungen und konstruktive Kritik im Team willkommen sind und geschätzt werden.

Dieses Vorgehen erfordert bei den Mitarbeitern ein Mitdenken, Umdenken, Flexibilität, Achtsamkeit und Offenheit. Prozesse und festgefahrene Verhaltensweisen zu hinterfragen und konstruktive Kritik zu geben, ist nicht einfach. Weiter- und Fortbildungen sollten dabei unterstützen. Mithilfe von Fehlermeldesystemen („Critical Incident Reporting Systems“, CIRS) werden an den Kliniken in Deutschland unerwünschte Ereignisse strukturiert erfasst und ausgewertet. Dadurch können Wiederholungen von Fehlern vermieden und Qualitätsprobleme aufgedeckt werden. CIRS leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Patientensicherheit. Einrichtungsinterne Fehlermeldesysteme sind bereits heute für alle Kliniken verpflichtend.

Um den größtmöglichen Nutzen für die Patientensicherheit zu erzielen, muss für die Krankenhäuser auch die Teilnahme an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen verpflichtend werden. (Bislang beteiligt sich weniger als ein Drittel der Krankenhäuser an diesen einrichtungsübergreifenden Systemen.) So könnten diese auf aus Fehlern anderer lernen. Es besteht also noch deutliches Verbesserungspotential.

Den Kunden/Patienten im Fokus

Gut informierte Patienten und Angehörige können einen maßgeblichen Beitrag für mehr Patientensicherheit leisten. Patienten sind oft die Einzigen, die den gesamten Behandlungsprozess kennen. Deshalb müssen sie (bzw. ihre Angehörigen) systematisch über anstehende Behandlungen und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt werden. Ferner gehört zu einem guten Qualitätsmanagement auch die Befragung der Kunden – der Patienten.

Befragungen von Patienten und Angehörigen sind ein weiteres Mittel, um direkt Erfahrungen aus Sicht der Versorgten zu erfassen und so die Patientensicherheit vor allem mit Blick auf gute Aufklärung und Vermeidung von Überversorgung zu erhöhen. Fragebögen wie sie das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) derzeit für Patienten mit Herzkatheter/Stent, schizotype Störungen sowie Nierenersatztherapie erarbeitet, müssen für weitere Erkrankungen und Behandlungen entwickelt und verbindlich eingesetzt werden. Die Ergebnisse müssen öffentlich dargestellt werden (Public Reporting).

Fazit

Viele kleine Schritte können zu erheblichen Verbesserungen der Patientenischerheit führen. Investition in Patienten sind Investitionnen in die Zukunft. Ingegration von Neuem in bestehende Prozesse oder die Optimierung von Prozessen selbst im Rahmen eines bestehenden Qualitätsmanagementsystems (QM) ist wichtig um die Umsetzung sicherstellen zu können. Weitere Informationen zum Thema Patientensicherheit finden Sie auf der Webpage des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. (APS).

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