"Der Ignorant und der Wahnsinnige" in Reichenau 2024
Wien [ENA] Mit Thomas Bernhards "Der Ignorant und der Wahnsinnige" bei den Festspielen Reichenau 2024 wird an ein Stück österreichischer Theatergeschichte der Nachkriegszeit angeknüpft, die in ihrer unerhörten Komplexität vielleicht noch nicht wirklich verstanden ist, auch wenn sich so kompetente Thomas Bernhard Kenner wie Hermann Beil an die Inszenierung herangewagt haben. Thomas Bernhard ist ganz einfach nicht zu fassen.
Und schon gar nicht dieser "Herrenmensch", der sich an der Literatur abgearbeitet hat und in einer monumentalen Sprache seelische Abgründe inszeniert hat, die wie riesige Granitblöcke in die Kulturlandschaft hineingeschleudert wurden. Dort liegen sie nun, fest verwahrt und 2022 als Nachlass vom Österreichischen Literaturarchiv für 2,1 Mio Euro erworben. Zahlreiche Preise, unter anderem auch der Österreichische Staatspreis, den Bernhard 1968 vom Unterrichtsministerium erhielt und für den er statt einer Dankesrede eine Schmährede auf Österreich hielt um damit einmal mehr die "Freiheit der Kunst" einzufordern. Und sie wurde ihm auch gewährt. Gewissermaßen hämmerte sich seine ätzend-groteske Sprache tief ins kollektive Unterbewusstsein.
Dort harrt sie wahrscheinlich für immer einer psychoanalytischen Deutung. Nicht weniger interessant, aber doch ganz anders, versprechen die drei anderen Inszenierungen zu werden. So wie die bezaubernde Posse "Der böse Geist Lumpazivagabundus" von Johann Nepomuk Nestroy, der verführerische, ambivalente "Anatol" von Arthur Schnitzler oder das in seiner Sozialtragik herausgemeißelte Stück "Der jüngste Tag" von Ödon von Horváth. Freudig und mit prächtig guter Laune haben die künstlerische Leiterin Maria Happel und ihr wunderbares Ensemble unter der Anwesenheit der Landeshauptfrau NÖ bei einer Pressekonferenz das Programm präsentiert und in das schöne Reichenau an der Rax im Sommer 2024 eingeladen, einen Ort mit einer langen Festspieltradition.